Die Befürworter der Zeitenwende kritisieren die Ex-Regierung: für billige Energie deutsche Macht aufgegeben

Tue, 04. October 2022
von 19:15 Uhr bis 21:45 Uhr
Online-Diskussionsveranstaltung per Discord, der Link zur Teilnahme (nach Betätigung des Link im Register "Voice Channels" auf "General" klicken):

Putins Angriff ist auch eine Niederlage der deutschen Außenpolitik. Handelte die Regierung zu naiv, war sie zu sehr von Interessen geleitet? Eine Spurensuche! Einfache Antworten gibt es nicht. Dennoch lassen sich im Rückblick Fehleinschätzungen erkennen. Nord Stream 2! Das Risiko der enormen Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland hat man nicht gesehen, wollte sie vielleicht nicht sehen. Das Gegensteuern hätte viel früher beginnen können. Das rächt sich jetzt. Das Konzept von Wandel durch wirtschaftliche Annäherung hat zumindest in der aktuellen Situation nicht zum Erfolg geführt. Lang war es Ziel deutscher Außenpolitik, zu einer Sicherheitsordnung mit Russland zu kommen. Jetzt wird klar, dass es kurz- und mittelfristig um Sicherheit gegen Russland geht.“ („Merkels Fehler, Schröders Interessen“, Tagesthemen 24.3.22)

Ich werde mich nicht entschuldigen! … Ich war Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, als solche habe ich ein bestimmtes Werteverständnis und dieses Werteverständnis ist grundsätzlich unterschieden von dem von Präsident Putin. Er hält die Demokratie für falsch, ich halte sie für richtig, für die menschlichste Ordnung bei all ihren Fehlbarkeiten. Zweitens: Für mich ist Politik nicht nur Werte, sondern immer auch die Interessen meines Landes. Und das Interesse des Landes, das ich regiert habe, ist im Grundsatz: Mit Russland einen Modus Vivendi zu finden, in dem wir nicht im Kriegszustand sind, sondern wir versuchen können, bei allen Differenzen irgendwie zu koexistieren. … Nach der Annektion der Krim war schon ein tiefer Einschnitt. Wir haben sozusagen Beziehungen gepflegt, wie es die Pflichten von Staats- und Regierungschefs sind, aber für mich war dann vollkommen klar, dass wir es nicht mit jemandem zu tun haben, der uns Wohlergehen wünscht nach unserer Art zu leben. Trotzdem kann ich ihn nicht aus der Welt schaffen! Und Russland ist ne Größe …“ (Merkel, 7.6.22)

Ich bin so wütend auf uns, weil wir historisch versagt haben. Wir haben nach Georgien, Krim und Donbass nichts vorbereitet, was Putin wirklich abgeschreckt hätte.“ (Annegret Kramp-Karrenbauer auf Twitter, 24.2.22)

Die Ereignisse lösen auch bei der Bundeswehr einen Schock aus. Heeres-Generalinspekteur Alfons Mais: ‚Du wachst morgens auf und stellst fest: Es herrscht Krieg in Europa. Doch die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da. Die Optionen, die wir der Politik zur Unterstützung des Bündnisses anbieten können, sind extrem limitiert. Das fühlt sich nicht gut an. Ich bin angefressen.‘ Aus hohen deutschen Militärkreisen heißt es zu BILD: Wir – als Deutsche – blamieren uns gerade bis auf die Knochen.“ (BILD 24.2.22)

Wer verstehen will, wie es so weit kommen konnte, muss zum Mauerfall 1989 zurückblicken. Das Gefühl damals: Der Kalte Krieg ist vorbei, alte Feindschaften sind überwunden, eine Epoche des Friedens beginnt. Es wurde abgerüstet: von 490.000 Soldaten im Jahr 1989 auf 184.000 Soldaten heute, von 5000 Kampfpanzern auf 300, von 620 Kampfflugzeugen auf 230. Die Bundeswehr war schon bald nur noch ein Schatten ihrer selbst. Nie wieder allein war die eine Maxime deutscher Sicherheitspolitik. Die andere: nie wieder Krieg. Soldaten wurden als bewaffnete Wiederaufbauhelfer in Auslandseinsätze geschickt. Das Kämpfen sollten bitte andere erledigen.“ (Sönke Neitzel und Bastian Matteo Scianna, Militärhistoriker der Uni Potsdam, in BILD 6.3.22)

Billig konnte das Gas aber nur wirken, weil Politik und Wirtschaft … die aus der Abhängigkeit Deutschlands resultierende Risikoprämie einfach weiter mit null veranschlagten, obwohl Deutschland … schon einmal schmerzlich die Kosten von Abhängigkeiten in der Energie erfahren hatte.“ (So teuer ist die Abhängigkeit von Russland, Gerald Braunberger, FAZ 24.6.22)

und zeihen das Volk des unpatriotischen Egoismus‘

Wir können auch einmal frieren für die Freiheit.“ (Ex-Bundespräsident Gauck bei Maischberger, 10.3.22)

Gespeist werden diese Ängste, wie etwa der Brief aus Halle, in dem Bundeskanzler Scholz vorgeworfen wird, Deutschland für die Ukraine zu opfern, von Egoismus, Selbstgenügsamkeit und einer frappierenden Blindheit für Entwicklungen jenseits der eigenen Lebenswelt.“ (Stefan Locke, FAZ 26.8.22)

Die AFD hält dagegen: nein zum Krieg aus frustriertem Souveränitätswillen

Die Ampel-Koalition verspielt mit ihrem Wirtschaftskrieg den Wohlstand der Deutschen. … Diese exorbitanten Kosten werden unzählige Bürger in die Verarmung stürzen. Unser Land droht in eine Negativspirale zu geraten, Rezession und Massenarbeitslosigkeit stehen uns bevor. … Die Folgen tragen die einfachen Bürger, die mit dem Ukraine-Krieg und den Russland-Sanktionen nichts zu schaffen haben. … Die Alternative für Deutschland vertritt die Interessen der Bürger und fordert daher ein Ende des Wirtschaftskriegs gegen Russland. Unsere Kinder dürfen nicht für Habecks Wirtschaftskrieg frieren!“ (AfD-Vorsitzender Tino Chrupalla, 30.7.22)

Der Krieg in der Ukraine ist schrecklich. Aber er ist nicht unser Krieg.“ (Björn Höcke auf Twitter, 27.4.22)

„… nicht aufgrund von linken Pazifismus-Träumereien, sondern aus der realpolitischen Einsicht in Deutschlands desaströse politische und militärische Lage. Wir können es uns schlichtweg nicht leisten, uns als Nabel der Welt zu sehen und uns mit einer Supermacht nach der anderen anzulegen. Frau Baerbock und die Ampel-Koalition haben im eigenen Land genügend Baustellen, um die sie sich kümmern sollten, anstatt sich als Oberlehrer der ganzen Welt aufzuspielen.“ (AfD-Kompakt, Mitgliedermagazin, 5.8.22)

Die wertegeleitete Außenpolitik der Grünen verletzt deutsche Interessen. Deutschland wird nicht in der Ukraine verteidigt.“ (AfD-Vorsitzender Tino Chrupalla, 28.7.22)

Die USA tun es, China tut es und jetzt tut es auch Russland, nämlich seine Pufferzone sichern. Deutschland muss aufhören, die Interessenpolitik der USA zu betreiben und muss beginnen, Russland an Europa heranzuführen. Nur dann ist dauerhafter Frieden möglich.“(Höcke auf Twitter 22.2.22)

In Europa herrscht Krieg und die russische Staatsführung trägt dafür die Verantwortung. Für uns Deutsche ist das ein harter Aufprall auf den Boden der Realität. Deutschland muss jetzt, wie immer wieder von uns gefordert, seine Verteidigungspolitik auf Bedrohungen dieser Art gänzlich neu ausrichten.“ (Rüdiger Lucassen, verteidigungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion am 24.2.22)

 

Lesetipp: „Mehr deutsche Macht – das nationale Grundbedürfnis, dem Politik und Volk gefälligst gerecht werden sollen“ in: GegenStandpunkt 3-22, erhältlich im Buchhandel und direkt beim Gegenstandpunkt-Verlag, abrufbar unter: https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/mehr-deutsche-macht