Fortsetzung: Rechtsruck in Europa

Thu, 18. July 2024
von 19:30 Uhr bis 22:00 Uhr
Nachbarschaftshaus Gostenhof, Kleiner Saal, Adam-Klein-Straße 6, 90429 Nürnberg

Kein Wunder, bei diesem Projekt!

Nach einhelliger Meinung in der Öffentlichkeit war das das Er­gebnis der Europawahl: Der Rechtsruck, der im Wahlkampf von SPD, Grünen, FDP, CDU/CSU und auch der Linken als Gefahr für Europa beschworen wurde, ist da. Europaweit ha­ben rechtsradikale Populisten so viel Zustimmung bekommen wie noch nie. Nur, was heißt das nun, dass Europa nach rechts gerückt ist?

Müssen jetzt Leute, die sich aus Afrika oder Asien nach Europa aufmachen, um dort „ein besseres Leben zu suchen“, um ihr Leben fürchten oder Angst haben, dass dafür gesorgt wird, dass sie gar nicht nach Europa gelangen? Dafür, dass die EU ein Bollwerk gegen „unerwünschte Migration“ ist, sorgen die „lupenreinen Demokraten“ schon selber.

Werden jetzt Maßnahmen zum Schutz des Klimas als Irrweg abgeräumt und der Klimaschutz selber als radikale Ideologie diffamiert? Auch da treten die etablierten Parteien schon selber dafür ein, dass Klimaschutz einzig und allein ein Synonym für die Förderung der europäischen Wirtschaft sein darf und alle Maßnahmen aus dem Verkehr zu ziehen sind, die Wachstum und Kon­kurrenz­fähigkeit behindern.

Wird jetzt wegen des Erstarkens der Rechtspopulisten die EU militarisiert und aus Europa ein zu Kriegen bereites und fähi­ges Subjekt? Dass es dazu keine Alternative gibt und ge­ben darf, dafür stehen die etablierten Parteien nicht nur in ihrem Wahlkampf ein.

Also, bleibt die Frage, worin er denn besteht, der Rechtsruck in Europa?

Eine Sammlung von Stellungnahmen dazu, welches Europa die regierenden Demokraten aus Deutschland vor den Rechtspopulisten schützen wollen

Asylpolitik

Der EU-Asylkompromiss ist ein überfälliger Schritt hin zu mehr Ordnung, Steuerung und Begrenzung in der Migrationspolitik.“ (Der Grüne Ministerpräsident Kretschmann im Tagesspiegel vom 11.4.24)

Wir können keinem Pakt zustimmen, der die Inhaftierung von schutzsuchenden Familien und Kindern an den EU-Außengrenzen zulässt und die Rechte geflüchteter schwächt“. (Die grüne Spitzenkandidatin Reintke im Tagesspiegel vom 11.4.24)

Eine wirkungsvolle Steuerung und Regulierung von Migration braucht eine gemeinsame europäische Antwort … Denn Humanität und Akzeptanz für das Recht auf Asyl kann es nur in der Ordnung geben. Darum ist die Zustimmung des EU-Parlaments zum EU-Migrationspaket so wichtig und richtig. (Der grüne Bundesagrarminister Özdemir auf Twitter, nach Tagesspiegel vom 11.4.24)

Kanzler Scholz hat bei der Ministerpräsidentenkonferenz versprochen, Asylverfahren außerhalb der EU weiter zu prüfen. (zdf.de, 20.6.24)

Migration steuern! Sonst tun es die Falschen.(FDP-Wahlplakat zur Europawahl 24)

Klimaschutz

Unter Ursula von der Leyens Green Deal ist die EU ins Klimaschutz-Mittelalter zurückgeschossen worden. Eine unübersichtliche Anzahl von Sektorregulierungen führt zu einem nie dagewesenen Aufblühen der europäischen Bürokratie.“ (Die FDP-Spitzenkandidatin Strack-Zimmermann auf euractiv.de, 29.4.24)

Sie sagen: ‚Nur wir wissen, wie die Welt richtig zu funktionieren hat. Wir müssen Vorschriften und Gesetze machen, damit die Menschen auch »richtig« leben.‘ Insofern hat die grüne Art auch etwas Freiheitsraubendes.“ (Der CDU/CSU- Spitzenkanidat Weber auf Facebook am 4.3.24)

Angesichts der sich beschleunigenden Klimakrise und der großen geopolitischen Herausforderungen gilt es, die Errungenschaften des Grünen Deals und des Grünen Industrieplans zu bewahren, darauf eine ehrgeizige Wachstumsagenda aufzubauen und damit insbesondere die industrielle Basis der EU zu erneuern. Die globale Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz Europas und das Ziel, die EU zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu machen, gehen Hand in Hand: Die EU soll ein industrielles und technologisches Kraftzentrum bleiben und bei den grünen Technologien von morgen weltweit führend sein.“ (Pressemitteilung des BMWK am 23.5.24)

STANDARD: Sind die Grünen zu sehr auf Klima fixiert, vernachlässigen dabei gesamtgesellschaftliche Ziele, sind deshalb in Umfragen EU-weit im Hintertreffen? Reintke: Da möchte ich widersprechen. Wir haben in den letzten Jahren viel investiert, um das Thema Klima mit anderen Themen zu verbinden, in Deutschland und in Österreich. Wir wollen die Wirtschaft mit grüner Transformation nach vorne bringen. (Die grüne Spitzenkandidatin Reintke im Interview mit dem STANDARD, derstandard.de, 28.5.24)

Der Green Deal mit Energie aus Wind- und Sonnenenergie, einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft … mit Energiequellen, die nicht von Autokraten abhängig sind, ist also Teil einer Sicherheitsstrategie, die Europa dringend braucht, weil wir sehen, dass die Welt immer unsicherer wird.“ (Die grüne Spitzenkandidatin Reintke auf euronews.com am 2.5.24)

Militarisierung der EU

Der russische Angriffskrieg auf unseren europäischen Nachbarstaat Ukraine hat gezeigt: Frieden und Freiheit, Sicherheit und Menschenrechte sind keine Selbstverständlichkeit. Sie müssen immer wieder aufs Neue verteidigt und gestärkt werden. … Aber auch über die Ukraine hinaus nehmen die Spannungen weltweit zu. China tritt immer autoritärer auf, bedroht seine Nachbarn und stellt die regelbasierte internationale Ordnung infrage. … Diese Verschiebungen im globalen Machtgefüge fordern die EU heraus. … Gemeinsam sind wir handlungsfähig. Immer wieder hat die EU bewiesen, wie sehr sie in der Lage ist, auch international für Frieden, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und nachhaltige Entwicklung zu wirken. Sie hat bewiesen: Man kann Frieden lernen, stabilisieren und zum Wohle aller gestalten. Das Europawahlprogramm 2024 BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 63 gibt Hoffnung in schwierigen Zeiten: Eine EU, die auf der Weltbühne selbstbewusst und konstruktiv auftritt und mit einer Stimme spricht, ist imstande, sich gegen Unfreiheit und Krieg zu behaupten, unsere Interessen und Werte zu verteidigen, Einflussnahme von außen abzuwehren, Zukunft und Frieden zu gestalten – und das Leben der Menschen spürbar zu verbessern. Dieses Europa bietet weltweit Perspektiven für politische und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung – und damit ein dringend benötigtes Gegenangebot zum Einfluss insbesondere Chinas und Russlands. Das ist unsere Perspektive, das ist unser politischer Auftrag: die globale Handlungsfähigkeit der EU zu verteidigen und zu stärken. … Im äußersten Fall müssen wir im Stande sein, unseren Frieden im Bündnis auch militärisch zu verteidigen. Dabei bleibt der Einsatz militärischer Gewalt für uns Ultima Ratio. … Wir wollen einen umfassenden Ansatz europäischer Außenpolitik, der die menschliche Sicherheit in den Mittelpunkt rückt, auf Vorbeugung und zivile Bearbeitung von Krisen und Konflikten setzt und aktiv Chancen für Deeskalation sucht. Wer dazu beiträgt, Frieden zu erhalten, beugt der Notwendigkeit vor, Frieden schaffen zu müssen – so schützt Europa.“ (Aus dem Europawahlprogramm 24 „Was uns schützt“ der Grünen)

Ziel ist die Schaffung einer Europäischen Verteidigungsunion als Zwischenschritt zu einer Europäischen Armee unter gemeinsamem Oberbefehl und unter parlamentarischer Kontrolle. Die militärischen Fähigkeiten im Rahmen der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) sollen stärker europäisch koordiniert und gebündelt werden. Den Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) wollen wir genauso wie die gemeinsame Rüstungsbeschaffung ausbauen. (Auszug aus dem Programm der FDP zur Europawahl 2024 )

Der russische Angriff auf die Ukraine hat Krieg zurück auf den europäischen Kontinent gebracht. Aus der Entspannungspolitik unter Willy Brandt wissen wir, dass militärische Stärke wichtig ist, um das Friedensprojekt Europa zu schützen. Deshalb wollen wir den europäischen Pfeiler in der NATO stärken und mehr Verantwortung für unsere eigene Sicherheit übernehmen.  … Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben schon lange die Vision einer europäischen Armee, denn wir wissen, durch gemeinsame Investitionen und Organisation unserer Streitkräfte können wichtige Synergieeffekte erzielt werden. Im Sinne des strategischen Kompasses der Europäischen Union möchten wir, dass diese eine handlungsfähigere Sicherheitsakteurin wird. Auch wenn die NATO ihre zentrale Rolle für unsere Bündnisverteidigung behält, wollen wir Europa in die Lage versetzen, Sicherheit vor externen Bedrohungen zunehmend eigenständig zu gewährleisten.“ (Aus dem Europawahlprogramm 24 „gemeinsam für ein starkes Europa“ der SPD)

Die „Brandmauer“ gegen die Rechtspopulisten

Pro Europa, pro Rechtsstaat, pro Ukraine – das sind die Grundpfeiler, auf denen diese Brandmauer steht.“ (Weber)

Man muss nicht herumreden und sich davor drücken, die Fragen zu beantworten, die mir in meinen Gesprächen gestellt werden: Es ist schon so, viele Bürgerinnen und Bürger sind nicht einverstanden, dass wir die Ukraine unterstützen, auch nicht, dass wir Sanktionen gegen Russland verhängt haben, und das schlägt sich auch in den Wahlergebnissen nieder. Aber es gibt nicht die Alternative, dass wir das jetzt ändern. Russland hat die Ukraine angegriffen, das größte Land Europas das zweitgrößte; ein klassischer Eroberungskrieg, der versucht, die Landkarte zu verändern; Imperialismus, von dem wir dachten, wir haben ihn hinter uns; die Verständigung, die wir hatten, dass man nicht in Europa mit Gewalt Grenzen verschiebt, ist von Russland aufgekündigt worden. Das müssen wir also weitermachen.“ (Bundeskanzler Scholz im ARD Sommerinterview 23.6.24)

LesetippEuropawahlkampf in Deutschland: Reak­tionär und durchsetzungsstark für Europa und gegen Rechts. In: Gegen­Standpunkt 2-24, erhältlich im Buchhandel und beim Gegen­standpunkt-Verlag. Der Artikel ist online abruf­bar.